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The Munchhausen-Effect - On Time in Times of Having no Time: Widerstand gegen die Zeit

Mit dem auf Englisch etwas befremdend anmutenden Titel „The Munchhausen Effect“ verhandeln die Kuratorinnen Anamarija Batista und Ksenija Orelj gemeinsam mit der neuen Leiterin der Galerie 50/20 Karolina Radenkovic Zeitmodelle einer postfaktischen Gesellschaft, bei denen das Phänomen Zeit ständigen Anforderungen und Kontrollen ausgesetzt ist, die es jedoch ad absurdum führen und zu annihilieren scheinen. Gesteigerter Druck in einer Endlosschleife virtueller temporärer Verfügbarkeit erzeugt Unmut hinsichtlich autonomer Zeitspannen und Denkräume. Künstlerische Antworten auf dieses Phänomen manifestieren sich meist in einer subtilen Form des Widerstandes, den die versammelten Positionen der Ausstellung in verschiedenster Weise aufgreifen. Irena Saldoje breitet in der Arbeit „Pain“ den Ausdruck ihres eigenen EEGs, das sie aufgrund von Kopfschmerzen aufzeichnen ließ, über eine Wand entlang aus. Dieses diente ebenso als Notizpapier für einen Schizophreniepatienten, der seine Gedanken in ungeordneter Weise auf dem Papier aufschrieb und die EEG Kurve metaphorisch als Assoziationskette für seine eigenen Gehirnströme verwendete. Luiza Margans Installation „Siesta“ entstand in Mexico City und zeigt eine Hängematte, die aus Plastikresten und anderen hinterbliebenen Materialien von illegalen Straßenverkäufern stammt, die keinen fixen Verkaufsstand haben und diesen oft fluchtartig verlassen müssen. Zeit zum Verweilen bleibt für sie keine, nur die Reste, die hier ironisierend ihre Abwesenheit und ständige Fluktuation symbolisieren. Slaven Toljs Fotografie dokumentiert die Szene eines Boccia Spiels, bei dem der Künstler jedoch die weiße Kugel entfernte und damit die eigentlichen Spielregeln außer Kraft setzte. Die SpielerInnen werden aufgefordert, neue Regeln zu erfinden um das Spiel fortsetzen zu können und sind zu Beginn vor den Kopf gestoßen, wie sie mit dieser vollkommen unerwarteten Situation umgehen sollen. Abwesenheit und Anwesenheit, Zeitbe– und –entschleunigung sind auch Themen in Dušica Dražić und Wim Janssens Dokumentation einer Arbeit. Sie zerlegten einen alten NP 21 35-mm Filmprojektor aus der Zeit Ex-Jugoslawiens, gossen jedes Teil in Bronze nach und schufen ein nagelneues, funktionstüchtiges Gerät. Dadurch rekurrieren sie auf das Verschwinden traditioneller Handwerkstätigkeit sowie die Bedeutung von Zeit als variable Größe. Die insgesamt fünfzehn Positionen der Ausstellung verhandeln ungewohnte Alltagsmomente, denen der Begriff Zeit in sehr unterschiedlicher Weise eingeschrieben ist. In einer installativen Zusammenschau gelingt es, einen ironischen Twist in oftmals rigide Strukturen zu bringen und vorhandene Denkmuster auf den Prüfstand zu stellen.
Mehr Texte von Walter Seidl

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The Munchhausen-Effect - On Time in Times of Having no Time
11.03 - 29.04.2017

Fünfzigzwanzig
5020 Salzburg, Residenzplatz 10
Tel: + 43 662 848817
Email: office@galerie5020.at
http://www.galerie5020.at
Öffnungszeiten: Di - Fr 15-19, Sa 11-14 h


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