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Iris Andraschek – Sekundäre Wildnis: Visionen des Dokumentarischen

In Garten und Garage des Kunst Haus Wien breitet sich momentan ein wachsender Werkkomplex aus, ein Konglomerat aus Pflanzen, die auf ausrangierten PKW-Anhängern gezogen werden, einem zum Display umfunktionierten Bienenwagen, der eine Reihe von Videoarbeiten beherbergt und im Inneren der Garage ein Konzentrat aus Iris Andrascheks Archiv eigener Fotoarbeiten. Diese sind nicht an den Wänden, sondern auf Aluminiumplatten präsentiert, die schlichtweg an den Wänden im Inneren der Garage lehnen. Das gesamte Ausstellungssystem scheint mobil zu sein, bestimmt für einen Prozess des Wandels, zwischen Werden und Vergehen, was sich inhaltlich treffend in die Thematik fügt.

Iris Andraschek umkreist in ihren Arbeiten Menschen aus einem ihr persönlich bekannten Umkreis im Wald- und Weinviertel und in Kanada. Menschen, die abseits des mainstream, entkoppelt von der urbanen Konsumgesellschaft, ihre eigenwilligen Lebensentwürfe entwickelt haben. Dabei geht es der Künstlerin weniger um die Personen als um ihre visionären Haltungen. Einer der Protagonisten ist ein Kanadier, der seine Lebensprüfung darin sieht, sich auf kargem Boden abzumühen um produktive nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben; andere sind Selbstversorger, die in einem bescheidenen, selbst errichteten Gewächshaus ihr Gemüse und ähnliches kultivieren, daneben eine Saatgutvermehrerin oder ein Ethnobotaniker.

Drei von ihnen hat Iris Andraschek gebeten, ihre Visionen und Konzepte in die Anhänger zu pflanzen, und nun gedeihen im Garten des Kunsthaus selbst gezüchtete Gemüsesorten, Tomaten und Zucchini, aber auch ein Olivenbaum, Malven und Kapern.

Hinter dem augenscheinlichen soziokulturellen Interesse der Werke liegt aber noch das Andere, das wesentlich Künstlerische, die Transformation oder Differenz zum vordergründig sozialkritischen Dokument.

Strategisch wählt Iris Andraschek in ihren Foto- und Videoarbeiten Blickwinkel und Ausschnitt des Motivs, verschiebt die Perspektive und setzt gezielt Filter ein, die die Farbigkeit und die Schärfe des Abgelichteten verzerren. Konstruktive Unschärfen und Opazitäten, Verfremdungen lenken die Aufmerksamkeit auf scheinbar Nebensächliches, das metaphorische, manchmal theatralische Relevanz und eine formale Überhöhung erfährt. Manche Hofansicht wird zum Momento mori, eine andere mutiert zum Historienbild, das Bildnis einer Ansammlung von Geräten und diversen Gegenständen zum symbolisch aufgeladenen Stillleben; ein einfaches Gestänge entwickelt skulpturale Qualitäten.

Iris Andraschek beschwört mit der Kamera Atmosphären, Ideen und Stimmungen herauf, und sie spürt Brüche darinnen auf. Es sind offensichtliche oder subtile Brüche, in denen sich ein Zwischenraum, als Denkraum wie als sinnlicher Erfahrungsraum öffnet. Assoziationen und mögliche Narrative, Empfindsamkeiten stellen sich ein und entfalten eine eigenartig spröde Poesie.

Das vermeintlich dokumentarische Abbild transzendiert ein feinfühliges Spiel zwischen real und irreal. Tiefsinnigkeit steigt auf, wie in der Fotografie des Pfaues, der auf einer Mülltonne vor einer ruinösen Fassade posiert, daneben ein fast malerisches Arrangement angehäufter Papierfetzen und rostenden Eisens. Als wäre der fantastische Vogel einer Fabel entflogen, verirrt in die reale Welt des Verfalls – Metapher für eine Zuständlichkeit, in der Utopie und Realität ein verschlungenes Ineinander eingehen.

Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Iris Andraschek – Sekundäre Wildnis
29.06 - 08.10.2017

KunstHausWien
1030 Wien, Untere Weißgerberstraße 13
Tel: +43 1 712 04 95 0, Fax: +43 1 712 04 94
Email: office@kunsthauswien.com
http://www.kunsthauswien.com
Öffnungszeiten: Opening Days 29.02.-3.3.2024


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