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Július Koller - One Man Anti Show: Fair Play: Kultur statt Kunst

Das mumok Museum Moderner Kunst Wien zeigt derzeit in Kooperation mit dem Warschauer Muzeum Sztuki Nowoczesnei die erste umfangreiche Retrospektive zum Leben und Werk des Künstlers Július Koller. Július Koller – 1939 bis 2007 – war ein unbequemer, nicht linientreuer slowakischer Künstler, der, zutiefst geprägt von der politischen Oppression seines Landes, versuchte mit kritischen Kommentaren zu Alltag und Kunst eine sehr individuelle künstlerische Praxis zu leben. Koller war als akademischer Maler ausgebildet und arbeitete als Lehrer. Sein kulturelles Experimentierfeld war in erster Linie seine Wohnung und sein Balkon, wo er ab 1963 bis zu seinem plötzlichen Tod 2007 seine „Selbstchronologie“ betrieb. Dabei beschrieb er in seinen Notizbüchern Kommentare zu Ausstellungsereignissen im In- und Ausland sowie Interventionen in alltägliche Handlungen. Interventionen, Abweichungen der täglichen Handlungen und Pausen, welche die Kultur des Zusammenlebens verbessern könnten. Diese Selbstchronologie und die entstandenen malerischen und fotografischen Arbeiten werden im Hauptraum des mumok gezeigt. Hermann Czech hat dafür die Ausstellungsarchitektur gestaltet. Das Verdienst der drei KuratorInnen Kathrin Rhomberg, Georg Schöllhammer und Daniel Grún sowie der Sponsoren und musealen Unterstützer ist es, das umfangreiche Archiv von Koller aufgearbeitet und zugänglich gemacht zu haben. In einem der Ausstellungsräume sind Teile des Archivs ausgestellt und nachgebildet. Der Künstler Johannes Posch hat die Anordnung der Archivmaterialien ähnlich der Wohnung Kollers nachgebaut. Sein künstlerischer Durchbruch gelang Koller indem er ab 1970 in die Rolle des „UFO Nauten“ schlüpfte. Er bezeichnet ab diesem Zeitpunkt seine Aktionen mit den drei Buchstaben U.F.O. und sich selber als U.F.O. Nauten, was soviel hieß wie „universelle futurologische Organisation bzw. Operation“. In diese Abkürzung floss Kollers Begeisterung für kosmische Vorgänge ein – UFOs, Mondlandung und Metaphysik. So auch zu sehen in dem Begriff der „kosmohumanistischen“ Operation, der in Manifesten zu finden ist. Koller hat seine Arbeiten nicht als Kunst verstanden, sondern als „Antikunst“ und „Antihappening“. Er bezeichnete seine Tätigkeiten und ihre fotografische Dokumentation als „kulturelle Situation“, denn es ging ihm weniger um die Schaffung von Kunst als tatsächlich um die Initiierung einer neuen humanistischeren Kultur. Von diesen Gedanken geleitet ist auch seine Verwendung von sportlichen Settings zu verstehen. Der begeisterte Tennis- und Tischtennisspieler stellte 1970 in der Galerie der Jungend in Bratislava Tischtennistische auf und ließ seine Besucher während seiner Ausstellung gegeneinander spielen. Dabei kam es Július Koller auf das spielerische Fair Play der Menschen untereinander an. Und der Sport bot ihm dafür ein geeignetes Referenzfeld. Immer wieder kommen in Kollers Oeuvre Tischtennisschläger und -bälle vor. Da er sich als UFO Naut jedes Jahr von seiner Frau Kvetoslava Fulierova fotografieren ließ, entstand 1980 sein wohl bekanntestes Bild mit Tischtennisbällen vor den Augen und im Mund. Ein Tischtennisschläger bemalt mit einem Fragezeichen verdeckt zu einem Drittel sein Gesicht. Die Wiederholung von Zeichen ist immer wieder Thema im Werk von Július Koller. Nach dem Zusammenbruch des Prager Frühlings im August 1968 entwickelt er das Fragezeichen als inhaltliches und stilbildendes Element. Meist in weißer Latexfarbe gehalten trug er es auf alle möglichen Flächen auf und symbolisierte die Äußerung des Zweifels die der Künstler seiner Umgebung entgegen hält. Auch Welle und Zick-Zack-Linie kommen immer wieder in Kollers Arbeiten vor. Július Koller unterhielt in den 70er Jahren mittels seiner Textkarten Kontakt zur halben Welt, als es in der CSSR zu einer Konsolidierung der herrschenden Macht und schwerer Unterdrückung kam. Mit dem Ende des Eisernen Vorhangs konnte Július Koller reisen und seine kulturelle Strategie wurde ein Vorbild für zahlreiche junge Kollegen. Um 2000 folgten Ausstellungen und Performances im Ausland, unter anderem auch in Wien. Der Avantgardist, wie er sich wohl selbst nie bezeichnet hätte, wird hier von Martin Janda vertreten. Der umfangreiche Versuch der künstlerischen Person Július Koller gerecht zu werden, darum bemüht sich die Ausstellung im Wiener mumok. Doch der humorvolle, sperrige Charakter dieses Ausnahmekünstlers lässt sich am Ehesten in einer intimen Situation erfassen - oder am Tischtennistisch. -- Donnerstag, 01. Dezember 2016, 18:30 Uhr Zum Auftakt des wöchentlich stattfindenden J.K. Ping-Pong Club lädt das mumok zum Grand Opening mit namhaften Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur, die mit dem oder gegen das Publikum ihr spielerisches Talent unter Beweis stellen können. Die Teilnahme am Turnier wird vor Ort ausgelost – first come first serve!
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Július Koller - One Man Anti Show
25.11.2016 - 17.04.2017

mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
1070 Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 52 500, Fax: +43 1 52 500 13 00
Email: info@mumok.at
http://www.mumok.at
Öffnungszeiten: Täglich: 10.00–18.00 Uhr, Do: 10.00–21.00 Uhr


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