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Art Basel: Basel geht baden

Als wäre die allgemeine Stimmungslage nicht schon ausreichend durch äußere Faktoren wie Terrorangst, Brexit, Flüchtlingskrise etc. belastet, taucht der triefende Himmel Basel zur wichtigsten Kunstveranstaltung des Jahres in tropfnassen Trübsinn. Auch in der Messehalle will keine rechte Freude aufkommen. Mehr oder weniger offen sind alle Beteiligten froh, dass die ganz große Katastrophe anscheinend ausgeblieben ist und auf der Art Basel noch immer Kunst gekauft wird. Bei näherem Hinsehen weist die Fassade jedoch deutliche Risse auf. Großer Andrang herrschte jedenfalls am so wichtigen ersten Preview-Tag am Dienstag nicht. Und spätestens am Donnerstag waren viele Marktmacher schon wieder abgereist zur Eröffnung des Tate-Neubaus in London. Die Messeleitung weiß sehr genau, dass der Kunstmarkt schwierigen Zeiten entgegensteuert und hat offensichtlich den Ausstellern entsprechende Ansage gemacht. Die Art Unlimited für große und riesige Arbeiten ist deutlich stärker als in den Vorjahren, und sind recht viele eigens für diesen Anlass entstandene Werke zu sehen. Viele Stände auf der Art Basel selbst vermitteln einen sehr viel aufgeräumteren Eindruck als zu Boomzeiten, als die Galeristen alles an die Kojenwände hängten, was sich schnell verkaufen ließ. In diesem Jahr waren wesentlich mehr Großformate zu sehen, und die meisten Aussteller bemühten sich um einen kohärenten Gesamteindruck ihrer Stände. Judy Lybke etwa hatte mit seiner Galerie Eigen + Art (Berlin/Leipzig) den stärksten Auftritt seit über zehn Jahren. Negativ stach wieder einmal Larry Gagosian hervor, der ein Potpourri seiner schlimmsten (ehemaligen) Investitionskunst in den Stand verbringen ließ. Auffällig war, dass hier mehr von den Koons', Murakamis, Princes etc. zu sehen war als auf dem gesamten Rest der Messe. Allerdings auch ein attraktives großes „Abstraktes Bild“ von Gerhard Richter zu 18 Mio. Dollar, das eines der Highlights der Messe war. Und ein kleiner, unattraktiver Warhol, von dem ansonsten auf der Messe kaum etwas zu sehen war. Etabliertes und Bekanntes vom mittleren fünfstelligen bis in den hohen siebenstelligen Bereich ließ sich nach entsprechender Vorarbeit offenbar zufriedenstellend absetzen, zu Risiken mit nicht bereits abgesicherten Positionen lässt sich wohl wohl kaum noch jemand verleiten. Der Direktor einer der großen Filialgalerien erklärte, man habe alles verkaufen können, was man sich vorgenommen habe. Aber Amerikaner wären tatsächlich wenige da gewesen. Man darf das wohl so interpretieren, dass man alles eingetütet hat, was im Voraus verabredet war, substantielle Spontankäufe kommen nicht vor. Immerhin hat man das Gefühl, mit einem Blauen Auge davon zu kommen. Das sieht rundherum leider anders aus. Die Liste leidet besonders unter dem Ende des Spekulationsbooms. Einerseits scheint dieses Marktsegment aktuell wie ausgetrocknet, weil kaum noch jemand glaubt, dass der Ausstoß von Endzwanzigern nächstes Jahr das Doppelte wert ist. Andererseits haben offensichtlich auch die Galeristen versucht, auf Sicherheit zu setzen und aus ihrem Portfolio die Positionen mitgebracht, die sie für am ehesten vermittelbar halten. Das Ergebnis ist eine Flut konformer Flachware, bei deren Anblick nicht wenige Sammler richtiggehend wütend wurden. Die übrigen Satelliten bekommen die Zurückhaltung ebenfalls zu spüren, auch wenn sie zum Teil ein eher kunstfernes Publikum ansprechen. Am wackersten schlägt sich noch die Volta, die seit ihrem erneuten Umzug in die grandiose Markthalle beim Hauptbahnhof jedes Jahr qualitativ zulegen konnte. Sie bedient weitgehend ein mittelständisches Publikum, das sich nicht unbedingt für Cutting Edge interessiert, aber gleichzeitig nicht mit reiner Deko behelligt werden will. Dieses Publikum spricht auch die Photo Basel im Volkshaus an, die in ihrer zweiten Ausgabe allerdings immer noch ihr Publikum und ordentliche Standarchitektur sucht. Nur wenige Schritte weiter lauert die Scope im dritten bis fünften Stockwerk eines Billig-Einkaufszentrums auf Opfer. Der Besuch beginnt oben mit der Wiener Galerie Mauroner; danach geht’s abwärts. Auf die Rhy Art in der Nähe der Voltahalle am Rhein verirrt sich zum Glück kaum jemand. Traurig ist das Schicksal des einmal ambitioniert gestarteten Solo Project, das sich im Dreispitz-Areal zum Depri-Retreat entwickelt hat. Am meisten Spaß macht noch die Kunst- und Künstlerbuchmesse I never read in der ehemaligen Kaserne zwischen Rhein und Claraplatz, die niedrigschwellig und -preisig Kunst für alle anbietet. Ein Kapitel für sich ist der Lampenladen Design Miami Basel, der nur aufgrund Reduzierung nicht mehr ganz so beliebig wirkt. Diese Art Basel-Schwester dürfte durch die schärfer profilierte Crafts-Messe Tresor ab nächstem Jahr ernsthafte Konkurrenz bekommen.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art Basel
16 - 19.06.2016

Art Basel
4005 Basel, Messe Basel, Messeplatz Halle 1 und 2
http://www.artbasel.com


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