Werbung
,

Chen Zhen - Der Körper als Landschaft: Kulturelle Differentialvergleichungen

Mit jedem Boom von Kunst, die weder aus Europa noch aus Nordamerika kommt, steht das Sprechen und Schreiben darüber vor einer neuen Herausforderung. Man muss davon ausgehen, dass man als westlicher Betrachter asiatischer Kunst häufig kulturellen Missverständnissen aufsitzt. Da können auch Saal- und Katalogtexte nur bedingt weiterhelfen. Zum Beispiel, wenn man die Ausstellung von Chen Zhen betritt, der 1955 geboren wurde, ab 1986 in Paris lebte und 2000 an Leukämie verstarb. Eurozentristisch, wie wir nun mal sind, denken wir schon im ersten Moment: Arte Povera! Ein riesiges "Percussioninstrument" aus Betten und Stühlen, die mit Tierhäuten bespannt sind, nimmt den Großteil der Halle 1 ein. Als Installation jedoch ist es unvollständig, so dekretierte Chen Zhen; eigentlich muss es bespielt werden, von wem auch immer, auf dass individuelle und kollektive Trommelerfahrung in eins fallen. Das mag einem vielleicht hippieesk und weltverbesserisch vorkommen ? vor dem Hintergrund einer chinesischen Sozialisation, in der das Kollektiv eine ganz andere Rolle spielt als in westlichen Kulturen, bleibt es aktuell. Andere Arbeiten scheinen formal fast kitschig: Auf einem umgedrehten Bett mit Kufen, das der Besucher schaukeln soll, hat der Künstler etwa rote Glühbirnen und Glocken montiert. Deren Klang und Bewegung stehen für Energieströme, die sich von negativen in positive transformieren. Was esoterisch erscheint, hat ebenfalls seine tiefere Bedeutung in der chinesischen Medizin. Und häufig ist Chen Zhens Kunst äußerst symbolgeladen: Fahrradschläuche repräsentieren das Mao-China, Spielzeug-Autos den Kapitalismus. Einem westlichen Künstler würde man für so etwas höchstwahrscheinlich Plattheit vorwerfen. Chen Zhen hat einen großen Teil seiner Schaffensphase im Westen verbracht - und kulturelle Differenzen selbst immer wieder thematisiert. Vielleicht wissen die westlichen Gesellschaften, der westliche Kunstbetrieb heute mehr über China als noch vor zehn Jahren. Dass sich die chinesische Kunst jedoch dem anscheinend selbstverständlichen Sprechen und Schreiben über sie widersetzt, zeigt sich einmal mehr in Ausstellungen wie jener von Chen Zhen.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Chen Zhen - Der Körper als Landschaft
25.05 - 02.09.2007

Kunsthalle Wien Museumsquartier
1070 Wien, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 521 89-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-19, Do 11-21 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: