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#Kunsttrotzcorona 12

Kunst und Liebe für Krankenschwestern

Kein anderes Land wurde bisher so hart von der Covid-19 Pandemie getroffen wie die USA, keine andere Stadt so sehr wie die Menschen in New York. Die Krankenhäuser sind überfüllt, im Central Park wurden Feldlazarette errichtet, die helfen sollen, die über 214.000 Corona-Infizierten zu behandeln. In den Höfen der Krankenhäuser stehen Kühlanhänger für die Leichen. Wir alle kennen diese Bilder, die sich wohl für immer ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Auch wenn seit Kurzem die Kurve endlich langsam abzuflachen scheint, ist es nicht einfach, in diesem globalen Zentrum der Pandemie Hoffnung zu verbreiten.

Genau das aber haben sich die 31-jährige New Yorker Künstlerin Elizabeth Jaeger und ihre 30-jährige Freundin Cady Chaplin, eine Krankenschwester auf der Intensivstation des Lenox Hill Hospitals vorgenommen. Mit und durch Kunst wollen sie ein Zeichen der Hoffnung an diejenigen weitergeben, die seit Wochen unter schwersten Bedingungen im Krankenhaus die Stellung halten. Seit Mitte März laden sie deshalb Künstler/innen dazu ein, Poster für den Pausenraum des Krankenhauses zu entwerfen, in dem Chaplin arbeitet.

Das Projekt „Love to Nurses“ begann mit einer Nachricht von Chaplin an Jaeger: „Wenn Künstler/innen gelangweilt sein sollten und ermutigende Poster machen wollen, werde ich sie im Pausenraum aufhängen, wir können jede Hilfe gebrauchen, die wir bekommen können.“ Elizabeth Jaeger teilte diesen Aufruf per E-Mail und Instagram. Seitdem haben sich bereits mehr als 100 Künstler/innen an dem Projekt beteiligt, darunter Camille Henrot, Elizabeth Peyton und Amy Sillman.

In den offen zugänglichen Google-Drive-Ordner bit.ly/lovetonurses können Künstler/innen ihr selbst gestaltetes Poster hochladen, und die Mitarbeiter/innen des Krankenhauses können sie wiederum herunterladen, ausdrucken und aufhängen. Im Lenox Hill Hospital ist so inzwischen eine bunte Mischung täglich wechselnder Bilder entstanden, die sowohl von etablierten, als auch von unbekannten Künstler/innen stammen. Diese Idee von zwei Freundinnen ist über den virtuellen Raum hin zu einer physischen Unterstützung für Mitarbeiter/innen des Gesundheitssystems geworden und zeigt das Bedürfnis vieler Künstler/innen, aus ihrer Quarantäne heraus helfen zu wollen. Es ist ein Zeichen der Solidarität und Unterstützung.

Dieser Haltung folgte Elizabeth Jaeger auch in ihrem gestrigen Live Talk mit Cady Chaplin im Rahmen ihres Instagram-Takovers bei ihrer Berliner Galerie Klemm’s (https://www.instagram.com/galerieklemms/).

Die meisten Künstler/innen nutzen die Möglichkeit zur Bespielung fremder Instagram-Accounts, um ausschließlich auf sich selbst und ihre Kunst aufmerksam zu machen. Bis auf die Tonskulptur, an der Jaeger während des Gesprächs arbeitete, war davon jedoch wenig zu hören oder zu sehen. Stattdessen nimmt sich die Künstlerin während des Gesprächs zurück. Chaplin erzählt über ihren Alltag im Krankenhaus, wir erfahren, dass sie Schokolade liebt, die BBC-Serie Fleabag für sich entdeckt hat und Hip-Hop sie entspannt. An den freien Tagen geht sie boxen. Wer mehr Artist Talk erwartet hatte, wurde enttäuscht. Stattdessen wurde der Mensch Cady Chaplin zweifach porträtiert, physisch in Ton wie auch virtuell im Livestream.

Dieses Vorgehen reiht sich nahtlos in Jaegers künstlerisches Werk ein. Sie untersucht in ihren Skulpturen, Keramikarbeiten und Installationen Beziehungen zwischen Körperlichkeit, Wahrnehmung und Bewusstsein, um mit ihnen Empfindungen und Emotionen zu erforschen. Und das hat sie eben auch in dem Insta-Talk mit ihrer Freundin getan. In diesem Gespräch haben wir etwas von einem Menschen erfahren, der zu einem Personenkreis gehört, der neuerdings unter dem kläglichen Schlagwort „systemrelevant“ charakterisiert und zusammengefasst wird. Die Krankenschwester Cady Chaplin hat zuvor, wie auch zahlreiche Kassierer/innen, Busfahrer/innen und Postbot/innen vor Corona kaum soziale Beachtung erfahren.

Die beiden sprechen im Insta-Talk schließlich auch über das Poster-Projekt. Chaplin erzählt, dass sie und ihre Kolleg/innen sich in den Pausen über die Kunst unterhalten und durch sie vom Klinikalltag abgelenkt werden, der ja gerade sehr anders ist als sonst. Fast jede/r von ihnen hat ein Lieblingsbild. Man lernt sich besser kennen in den Gesprächen. Was das Projekt für sie bedeute, fragt Jaeger ihre Freundin. „Dadurch fühle ich mich weniger allein bei dem, was ich tue“, antwortet Chaplin. Vielleicht ist das in Zeiten wie diesen eins der schönsten Dinge, die Kunst leisten kann.

Mehr Texte von Sylvia Metz

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