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Die virtuellen Geister, die ich rief

Online-Führungen sind derzeit angesagt in der Welt der Kunst, scheinen sie doch Vielen die einzig mögliche Antwort auf die durch die Corona-Pandemie motivierten Ausgangsbeschränkungen zu sein. Dabei erhalten vor allem die bekannten Social-Media-Kanäle verstärkte Beachtung, besonders Instagram. Allen voran die Galerie König, das auf Instagram die Möglichkeit bietet, Ausstellungen gemeinsam mit „Künstlern und Galerist zu erleben“ (Pressetext Galerie König), sogar die Option im Anschluss Fragen zu stellen, ist gegeben. Das Problem solcher Initiativen in den Sozialen Medien liegt auf der Hand: Sie überführen die Erfahrung von Kunst in die dort vorherrschende Eventkultur, inklusive dem dort üblichen Personenkult. Kunst, zumal sie hier nur noch quasi dematerialisiert in Form von digitalen Daten vorkommt und nicht mehr in ihrer eigenen materiellen Qualität, wird also präsentiert als mehr oder weniger vergnüglicher Gang durch Museen, Ausstellungshäuser und Galerien. Bei vielen virtuellen Führungen wird dann aus dem Leben der Künstler genauso berichtet wie über ihr Werk. Das Resultat dieser kurzweiligen Clips, die im besten Fall nicht von ungefähr an Reportagen aus der Welt der Stars in TV-Magazinen erinnern, ist dann eine als Kunstvermittlung getarnte eingängige Unterhaltung.

Nun sind Galerien privatwirtschaftliche Betriebe und als solche steht ihnen frei die Kunst gnadenlos zu vermarkten, bis hin zur nach möglichst vielen „Followern“ schielender Unterhaltung. Aber gilt dieses auch für (staatlich unterstützte) Museen, Kunstvereine und Kunsthallen? Sollten diese, zugegeben in einer Notsituation, die Präsentation von Kunst unter Gesichtspunkten von gelungener Unterhaltung oder gut gemeinter Didaktik lancieren? Ich denke nein, denn Kunst unterscheidet sich nun mal immer noch entscheidend von Unterhaltung und auch die beste Didaktik hat ein Problem, das in dem Wort „Führung“ bereits angedeutet wird: Virtuelle Ausstellungsführungen, man sehe sich etwa die vom Wiener Belvedere oder den Berliner KunstWerken an, schreibt den Betrachter nicht nur das Timing des Rezeption vor, sondern auch den Weg durch die Ausstellung und den konkreten Blick auf die Werke – genau das unterscheidet sie von „realen“ Führungen. Wie diese versieht die virtuelle Führung den „Usern“ dabei gleichzeitig mit Hinweisen zur einzig „richtigen“ Interpretation der dort gezeigten Arbeiten. Kurz und schlecht: Solche Führungen sind letztlich immer auch autoritär und erschweren so den eigenen Blick auf Kunst. Genau dieses wird spätestens dann zu einem Problem, wenn diese (virtuellen) Führungen „in Zeiten der Krise“ die einzige Möglichkeiten sind, Kunst zu „erleben“.

Last but not least: Wer weiß denn, ob diese Substitution von Kunsterfahrung durch das Erlebnis in den virtuellen Welten nach der Krise wieder zurückgefahren werden kann?! Die Galerie König beschreibt, wahrscheinlich leider zu Recht, ihre Instagram-Initiative als „richtungsweisend“.

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Abbildung: Screenshots aus den Instagram-Stories der @koeniggalerie, des @belvederemuseum und des @kunsthausbaselland

Mehr Texte von Raimar Stange

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