Werbung
,

Global National - Kunst zum Rechtspopulismus: Kunst gegen Rechts

Am 19. Januar 2001 explodiert in einem Lebensmittelladen in der Kölner Probsteigasse eine in einem Geschenkkorb deponierte Bombe. Die Tochter der iranischen Ladeninhaber erleidet hierbei schwere Verletzungen.

Am Nachmittag des 9. Juni 2004 detoniert eine mit mehreren Kilogramm Sprengstoff und rund 800 Zimmermannsnägeln gefüllt Bombe in der Kölner Keupstraße in einem belebten, migrantisch geprägten Viertel. 22 Menschen werden teils schwer verletzt.
Als Grund des Anschlags wird mal Schutzgelderpressung, mal ein Racheakt im kriminellen Milieu vermutet; nach vier ergebnislosen Jahren stellt die Kölner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen 2008 schließlich ein. Drei Jahre später, 2011, bekennt sich die rechtsextreme Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zu den Anschlägen. Es dauert vier weitere Jahre bevor sich die Stadt Köln dazu entschließt, ein Denkmal bauen zu lassen. Ein Wettbewerb wird ausgeschrieben, als Gewinner geht der Berliner Künstler Ulf Aminde (*1969, lebt in Berlin) hervor. Ein Modell seines Entwurfs ist in der Ausstellung „GLOBAL NATIONAL – Kunst zum Rechtspopulismus“ im Berliner Haus am Lützowplatz zu sehen: Ein aus Hartschaum im Maßstab 1:10 nachgebauter Grundriss des Hauses, vor dem 2004 die Nagelbombe explodierte. Mittels eines Smartphones und einer Augmented-Reality-App wird auf der Grundrissfläche ein virtuelles Haus sichtbar, in dem anhand von Texten, Fotos und Videos Themen wie Rechtspopulismus und Alltagsrassismus behandelt werden. Das Projekt sollte am Eingang der Keupstraße realisiert werden, um hier einen Ort der Erinnerung, Begegnung und Auseinandersetzung zu schaffen. Aber: Die Verantwortlichen hatte es versäumt, den vorgesehenen Ort zu sichern, die Eigentümergemeinschaft des Areals hat andere Pläne. So wird das in der Ausstellung gezeigte Modell zu einem Zeichen für die Nachlässigkeit, mit der die Stadt das Gedenken an den Anschlag behandelt. Als unrealisierter Entwurf wirft das Modell gleichzeitig Fragen nach dem Umgang mit kollektiver Erinnerung auf und regt zur Reflektion darüber an, wer im öffentlichen Raum Anteil an der Gestaltung des Gemeinsamen hat.

Amindes Arbeit ist eine zentrale Position innerhalb der von Raimar Stange kuratierten Ausstellung, anhand derer die Ursachen des Wiedererstarkens des Rechtsextremismus aufgezeigt werden und seinen Ausprägungen und Auswirkungen nachgegangen werden soll. Einige Arbeiten gehen hierbei den Weg der Irritation der Öffentlichkeit und sind im Ausstellungsraum als Dokumentationen oder Ausschnitte dieser künstlerischen Interventionen zu sehen. So beispielsweise die Arbeit „Die neue Rechte“ (1995) des österreichischen Künstlers und Aktivisten Oliver Ressler (*1970, lebt in Wien), die Teil einer zusammen mit Martin Krenn durchgeführten Aktion ist: Im November 1995 plakatierten Ressler und Krenn öffentliche Orte in Wien, wie beispielsweise Bushaltestellen und U-Bahn-Stationen, mit einer Serie von Plakaten, auf denen durchgestrichene Zitate rechtspopulistischer Politiker mit Textausschnitten kombiniert wurden, die sich kritisch mit diesen Positionen auseinandersetzen. Sowohl beim spontanen Lesen des Plakats im öffentlichen Raum als auch während des Ausstellungsbesuchs wird so zum Nachdenken über die Texte angeregt. Ferner thematisiert die Arbeit auch die Rolle der Neuen Rechten als Stichwortgeber für den politischen Diskurs – ein Problem, mit dem wir heute in Zeiten von Twitter und Facebook und dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom einiger Medien ungleich stärker als in den 90er Jahren konfrontiert sind.

Peter Friedls (*1960, lebt in Berlin) Video „Kill and Go“ (1995) ist die Dokumentation einer Aktion des Künstlers aus dem Jahr 1995, deren Initialzündung die Ermordung vierer Roma in Österreich war. Friedl platzierte die Worte „Kill and Go“ auf einer Leuchtreklameanlage am Wiener Europaplatz, wo die makabre Aufforderung monatelang zwischen der Werbung für Kaffee, Warenhäuser, Kurzdauerparkplätze, Bier und Eigentumswohnungen auftauchte. Auch als Video auf einem Monitor präsentiert, wird die Irritation des business as usual, die Unterbrechung des Alltäglichen und die daraus resultierende Verstörung transportiert.

An anderer Stelle geht die Übertragung von Elementen aus dem städtischen Raum in den Ausstellungsraum weniger gut auf. Christine Würmell (*1972, lebt in Berlin) bezieht sich in „widersprechen“ (2019) auf die Plakatkampagne des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, mit der Ende 2018 Geflüchtete dazu bewegt werden sollten, für eine Geldzahlung in das eigene Herkunftsland zurückzukehren. Schnell fanden sich Widerspruch artikulierende Kommentare einer anonymen Öffentlichkeit auf den Plakaten wieder, deren Aufnahmen wiederum umgehend in den sozialen Netzwerken kursierten. Diese medialen Bilder greift Würmell auf, indem sie Ausschnitte auf Protestschilder anbringt und diese „als Ausdruck eines kollektiven Widerspruchs“ im Ausstellungsraum aufstellt. Bleibt nur die Frage, inwiefern diese Weiterverarbeitung dem bereits kommunizierten Dissens etwas hinzufügt? Auch kommen die unbenutzten Schilder innerhalb der Kunsteinrichtung eher als passives Zeichen denn als Ausdruck eines Protests daher.

Eine aktuelle Beschäftigung mit rassistisch motivierter Gewalt findet in Martha Roslers (*1943, lebt in New York) Fotocollage „Point n’ Shoot“ (2016–18) statt. Die Arbeit zeigt eine Aufnahme Donald Trumps; mit auf die Betrachterin zielendem, ausgestrecktem Finger und in für ihn typischer Weise geschürzten Lippen, erinnert die Fotografie an Uncle Sam und wirkt gleichzeitig bedrohlich, da die Handhaltung an die Geste einer zum Schuss bereit gehaltenen Pistole denken lässt. Im Vordergrund ist eine Aussage Trumps zu lesen, die er während des Wahlkampfes 2016 tätigte: „Where I could stand in the middle of Fifth Avenue and shoot somebody and I wouldn’t lose any voters ok? It’s like incredible“. Dieses in der Tat unglaubliche Zitat wird durch die im Hintergrund des Motivs gelisteten Namen kontrastiert: Sie erinnern an unbewaffnete US-Amerikaner*innen, allesamt People of Color, die durch Schusswaffen der amerikanischen Polizei ums Leben kamen, ohne dass sich hierdurch Konsequenzen für die jeweiligen Schützen ergeben hätten. „Point n’ Shoot“ unterstreicht so die Gleichzeitigkeit der aktiven Gewalt, die der Sprache Trumps innewohnt und die vom Schusswaffengebrauch ausgeht und der passiven Gewalt, die im Ausbleiben der Folgen für die Nutzer dieser Waffen besteht.

Es ist eine Stärke der Ausstellung, dass sie mit Arbeiten aus den 1990er Jahren Kontinuitäten in der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus aufzeigt, und im Fall von Roslers Arbeit funktioniert der Anschluss an die Gegenwart bestens – man hätte sich jedoch noch weitere aktuelle Positionen gewünscht. Hierfür wäre es eventuell lohnenswert gewesen, den gesteckten Rahmen – betrachtet werden sollen ausschließlich Beispiele aus der Kunst – in Richtung Aktivismus zu erweitern.

Was weitestgehend fehlt ist außerdem die angekündigte Auseinandersetzung mit den Ursachen des Wiederauflebens des Rechtsextremismus. Dafür eröffnet der hintere Raum Einblicke in künstlerische Ausformulierungen einer besseren Gesellschaft: Nadira Husain (*1980, lebt in Berlin) verbindet unterschiedliche kulturelle Elemente – „indigen-indische“ Motive, japanische Ästhetiken und westliche Muster – zu einem neuen Ganzen und drückt so ein interkulturelles Selbstverständnis aus, das ohne (Ab-)Grenzen und Hierarchisierung auskommt. Und Candice Breitz (*1972, lebt in Berlin) entwirft in „Profile“ (Variante B) (2017) eine Identität, die sich jenseits von Hautfarbe, Gender und Alter definiert. Zehn südafrikanische Künstler*innen bekennen in dem Video „My name is Candice Breitz“ und mischen im Folgenden Erzählungen der eigenen Identität mit jener von Breitz. Auch hier entsteht das Bild eines vielstimmigen, widersprüchlichen und komplexen Subjekts, das sich fern der engen Grenzen einer qua Geburt festgeschriebenen Identität bewegt.

So wird hier am Ende der Ausstellung eine konstruktive, also aktiv zu realisierende Utopie beschrieben, die unbedingt auch Teil unserer Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus sein muss.

Mehr Texte von Ferial Nadja Karrasch

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Global National - Kunst zum Rechtspopulismus
21.03 - 26.05.2019

Haus am Lützowplatz
10785 Berlin, Lützowplatz 9
Tel: +49 0 30 261 38 05, Fax: +49 0 30 264 47 13
Email: office@hal-berlin.de
https://www.hal-berlin.de/
Öffnungszeiten: Di - So: 11 - 18 Uhr


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: