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How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions: Redebedarf

„Reden mit der Natur“ wird jetzt in einer Ausstellung im Berliner Hamburger Bahnhof vorgestellt, um Anthropozentrismus und Klimawandel künstlerisch die Stirn zu bieten.

„Der Mensch liebt den Baum wegen seiner Früchte, aber akzeptiert ihn nicht als seinesgleichen“ steht da in programmatischer Klarheit auf einer Wandzeichnung von Ican Ramageli und Alioune Diouf geschrieben. Die beiden senegalesischen Künstler bringen so das Problem auf den Punkt, das bereits im Titel der Ausstellung angesprochen wird: „How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes and lions“. Solches Sprechen nämlich nimmt Natur und Umwelt ernst als gleichberechtigten Partner, statt sie nur als gnadenlos ausbeutbare Ressource zu vergewaltigen. Letzteres verantwortet bekanntlich die globale Klimakatastrophe, die bereits heute ihre desaströsen Spuren überall in der Welt hinterlässt. Ramagelis und Dioufs Wandzeichnung „o.T.“, 2018, in der Fische ebenso schwimmen wie Vögel liebevoll in die Welt blicken und prägnante Textfragmente zur kritischen Reflexion anstiften, wurde nicht nur in Zusammenarbeit der beiden Artisten erarbeitet, sondern tritt zudem in einen Dialog mit Gemälden eines weiteren senegalesischen Künstlers ein, und zwar mit denen von Issa Samb, die sich ebenfalls mit ihren sensibel-expressionistisch gemalten Motiven mit der Möglichkeit eines empathischen Miteinander von z. B. Elefant und Mensch auseinandersetzen, und auf besagter Wandzeichnung gehängt sind.

Dieses dialogische Moment unterschiedlicher Werke ist typisch für diese Ausstellung, die nicht auf die auratische Präsentation einzelner Arbeiten setzt, sondern auf das intelligent-engagierte Vernetzen diverser Positionen, die sich auf unterschiedliche Art und Weise mit unserem Verhältnis zur Umwelt beschäftigen. Paradigmatisch dafür steht hier die etwa 12 Meter lange Segelschute mit dem Name „Flow“, der in geschwungenen Buchstaben auf ihrem Segel steht. Dieser Nachbau eines Schiffes, mit dem die Künstlerinnen Agnieszka Brzeżańska und Ewa Ciepielewska seit 2015 auf der Weichsel fahren, ist so etwas wie eine mobile Plattform einzelner künstlerischer sowie umweltpolitischer Aktivitäten. Gemeinsam ist diesen Aktionen, dass sie mit dem Ökosystem der Weichsel in einen künstlerischen Dialog eintreten, z. B. indem sie dieses in Performances miteinbeziehen, die dann auf der Schute auf einem Videomonitor zu sehen sind. Zudem sind auf „Flow“, 2017, diverse Arbeiten von weiteren KünstlerInnen, die an diesen „Exkursionen“ teilgenommen haben, präsentiert. Objekte etwa aus am Weichselufer gefundenen Materialien, wie Äste und Treibgut, sind da versammelt, Objekte, bei den Natur gleichsam zum Koautor wird. Die Schute vernetzt sich last but not least konkret vor Ort mit der Kreativität Anderer, steht doch auf seinem Bug eine Trommel, auf der im Laufe der Ausstellung diverse Musiker spielen und so ihren eigenen „Flow“ in das ästhetisch-aktivistische Geschehen integrieren.

Vernetzt werden in der großangelegten Ausstellung so unterschiedliche Themenfelder wie z. B. die gemeinschaftliche Nutzung der Ressource Wasser, jahrhundertealte Jagdtraditionen, kapitalistisch-moderne Landwirtschaft oder die Beziehung von Mensch und Baum. Stets steht dabei die Absage an ein anthropozentrischen Weltbildes im Fokus, stattdessen tritt das „was Wissenschaft nicht entziffern kann“, wie es Issa Samb formuliert, an dessen Stelle. Diese nicht nur ökologische Haltung soll dann, frei nach Bruno Latour, ermöglichen, dass Umwelt und Mensch zu verantwortungsvollen „Aktanten“ werden, die im gegenseitigen Einvernehmen in einem „Parlament der Dinge“ (Latour) ein nachhaltiges Leben aushandeln. Initiiert übrigens wurde „How to talk with birds ...“ von der Künstlerin Antje Majewski, die mit mehreren Arbeiten vertreten ist, vor allem mit Videos, die u.a. ihre Gespräche mit Issa Samb zum Thema haben. Einem dieser Gespräche verdankt die überaus wichtige und notwendige Ausstellung, dann auch ihren Titel.

Mehr Texte von Raimar Stange

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How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions
16.11.2018 - 12.05.2019

Hamburger Bahnhof - Nationalgalerie der Gegenwart
10557 Berlin, Invalidenstraße 50- 51
Tel: +49 30 266424242
http://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/hamburger-bahnhof/home.html
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr10-18, Do 10-20, Sa, So 11-18 h


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