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Taten des Lichts: Mack & Goethe: Klassiker im heiteren Dialog

Selten gerät man in ein derartig verwirrendes und – man muss es gleich sagen – ebenso erhellendes und faszinierendes Ping Pong Spiel zwischen Kunst- und Literaturgeschichte, zwischen Klassik und Avantgarde, aber auch zwischen Wissenschaft und Poesie. Während wir beim Stichwort Goethe vor allem an Frankfurt oder Weimar denken, landen wir im Goethe-Museum Düsseldorf, in jener Stadt also, die man doch eher mit Heinrich Heine, vor allem aber mit Künstlern der Post-War Ära wie Joseph Beuys oder Nam June-Paik in Verbindung bringt.

Düsseldorfs Goethe Museum in einem feudalen Gebäude gleich beim Schlosspark kann zwar nicht mit der Aura des Geheimrats und Dichterfürsten aufwarten. Als Gründung aus dem Umfeld des Insel-Verlags aber besitzt es mehr als 50 000 Objekte und ist damit die größte Goethe-Privatsammlung.

Von hier einen Brückenschlag zur zeitgenössischen Kunst zu setzen, wäre ziemlich waghalsig, gäbe es da nicht Goethes »Farbenlehre« als ideelles Koordinatensystem und eines der Hauptwerke des Meisters. Erschienen ist die Langzeitstudie 1810, wobei sie von Anfang an umstritten war, weil Goethe gegen Newton opponierte und mit seinem ganzheitlichen, teils metaphysischen Zugang die Versuchsanordnungen und strengen Analysen des englischen Naturforschers zur Untersuchung des Farbspektrums ablehnte.  

Faszinierend bleiben sie trotzdem: Johann Wolfgang von Goethes gezeichnete Farbstudien in Form fast täglicher Aufzeichnungen und einer Unzahl von Skizzen zu Experimenten. Bis heute bilden diese vom Umfang her gewichtigeren Forschungen als es die Arbeit am »Faust« jemals war eine wichtige Inspirationsquelle für Schriftsteller, Wissenschaftler und Künstler wie Heinz Mack, dessen Hauptthema eben das Licht ist. Es ist der Angelpunkt dieser Ausstellung.

Mack? Aber ist der nicht längst abgehakt? Gemeinsam mit Otto Piene? Als Mitbegründer der Gruppe ZERO? Nein, überhaupt nicht. Er selbst wirft solche Stereotypen lässig von Tisch, wenn er plötzlich vor einem steht, wie aus einem zeitlosen Raum aufgetaucht. Vital und voller neuer Ideen erinnert Mack (Jahrgang 1931) hier persönlich im Gespräch, wie er seine Interessen im Grenzbereich der Kunst zur Mathematik und den Naturwissenschaften weiter verfolgt. Derzeit etwa experimentiert er mit den Möglichkeiten des 3D Prints.

Nur weniger Stichworte bedarf es dann, bis der Maler, Bildhauer und Lichtkünstler an seine explorativen Performances in der tunesischen Sahara erinnert. Wie in einem UFO-Film demonstrierte der mehrfache Documenta Teilnehmer Anfang der 1960er Jahre im silbrig schillernden Anzug die Bedeutung des Sonnenlichts für seine Auffassung von Kunst. Dass die oftmalige Lektüre der Farbenlehre von Goethe sein gesamtes Œuvre regelrecht begleitete, wird dabei erst so richtig klar.

Und hier wird es dann spannend, zu sehen, wie die unterschiedlichen Denkweisen und visuellen Konzepte einander aufladen und neu beleuchten: Goethe erscheint plötzlich abgespeckt vom bildungsbürgerlichen Ballast als neugieriger Forscher und stellenweise auch Künstler, während Heinz Mack die Rolle des weltoffener Konzeptkünstlers einnimmt; losgelöst von seiner allzu bekannten Rolle als Nachkriegs-Avantgardist.

Dabei gehen die Stoßrichtungen der beiden in unterschiedliche Richtungen: Während Goethe sinnliche Phänomene vor dem Zugriff kühler Rationalität bewahren wollte, brachte und bringt Heinz Mack umgekehrt Themen der Wissenschaft in die Kunst rein.

Ohne die zahlreichen Bezüge zu nivellieren, erleichtern es die Werke der beiden Protagonisten zudem, einen Blickwinkel aus einer gewissen Distanz zum jeweils anderen einzunehmen, was wichtig ist, um von all der Geschichte nicht erdrückt zu werden. Dazu trägt auch Heinz Mack sein Scherflein bei, wenn er manche Skulpturen platziert, als wären sie einfach der Reihe nach abgestellt. Oder, wenn er eine seiner Lichtarbeiten mit einem – ach so notwendigen – Notausgang Schild mitten an der Wand augenzwinkernd korrespondieren lässt; im übrigen auch ein feiner Kommentar zu dem für Kunstausstellungen nicht unbedingt praktischen Schlossgebäude.

So heiter jedenfalls können Kunst und Wissenschaft einander begegnen! So erfrischend können Klassiker präsentiert werden!

Mehr Texte von Roland Schöny

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Taten des Lichts: Mack & Goethe
04.03 - 29.07.2018

Goethe-Museum
40211 Düsseldorf, Schloss Jägerhof, Jacobistraße 2
Tel: +49 (0)211 899 62 62, Fax: +49 (0)211/892 91 44
Email: goethemuseum@duesseldorf.de
http://www.goethe-museum.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-17, Sa 13-17, Feiertage 11-17 h


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