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Man Ray: Genie des Experiments

Ein Frauenrücken mit aufgemalten Schalllöchern: Die Frau als Instrument, das vom Mann zum Schwingen und Klingen gebracht wird – wie pittoresk, wie abgeschmackt, wie sexistisch. Man Rays Motivfindung ist ikonisch, und vielleicht gerade deswegen ein bisschen langweilig, weil schon zu oft gesehen. Ähnliches gilt für andere Motive, von denen die meisten mit weiblichen Körperteilen zu tun haben. Oder das Bügeleisen mit Nagelspitzen auf der Fläche. Den 1890 als Manuel Radnitzky in Philadelphia geborenen Sohn eines Schneiders auf diese beiden Aspekte – Fotografie und Dada-Objekte – zu reduzieren, wäre zu wenig; ihn als Universalgenie zu stilisieren zu viel. Beides führt die schlicht „Man Ray“ betitelte Ausstellung im Bank Austria Kunstforum eindrücklich vor Augen. 

Von den ganz frühen technischen Zeichnungen scheint es formal nur ein kleiner Schritt zu sein zu den Dada-Objekten, den Orchester-Zeichnungen der 20er-Jahre und dem fulminanten Gemälde „The Rope Dancer Accompanies Herself With Her Shadows“ aus dem Jahr 1916. Dieses Werk, in dem die zuvor oft skizzierte Tänzerin nur noch ganz klein oben am Bildrand schwebt und ihre Seile wie Angelschnüre auswirft, um die gezackten großen Farbflächen einzuhegen, die den Bildraum dominieren. Dieses frühe Bild markiert auch schon den Höhepunkt von Man Rays malerischem Schaffen.

Am stärksten war Man Ray, wenn er experimentierte, das ist nicht nur und selbstverständlich bei den Fotografien zu beobachten sowie den frühen Filmen. Neben den ikonischen Frauenaufnahmen, den Solarisationen und den Rayographien sind in der Schau Fotografien zu sehen, die dem Künstler eigentlich Kultstatus in der queeren Kultur hätten einbringen müssen. Die Aufnahmen des Travestiekünstlers Barbette wie auch Marcel Duchamps inszenieren die (männliche) Geschlechterambiguität in gleicher Weise, wie sie den Körper seiner damaligen Mitstreiterin und Lebensgefährtin Lee Miller als Komposition zeigen. Daneben entstand allerdings auch handfeste Pornografie. Diese Bilder zeigen wiederum nur Teile von Körpern, sind unscharf und wirken aus der Aktion heraus komponiert, was wohl durchaus dem Sujet angemessen ist und gleichzeitig einen privaten oder gar klandestinen Eindruck der Aufnahmen hervorruft. In anderen Kulturkreisen, auch der westlichen Welt, wäre diese Abteilung durch einen Vorhang abgeteilt oder in ein zugangsbeschränktes Kabinett verbannt. Dankenswerter Weise belassen es die Wiener bei einem winzigen Hinweisschild.

Die Malerei, zu der Man Ray immer wieder zurückkehrte, war offensichtlich nicht sein Medium. Schon in frühen, kubistischen Versuchen wird deutlich, dass er hier mehr den jeweils aktuellen Trends folgt, als selber Neues zu schaffen. Auch das scheut sich die Ausstellung nicht zu zeigen.

Neben der reinen Kunst war für Man Ray immer der Broterwerb als Mode- oder Portraitfotograf von Bedeutung. Denn anders als viele Künstlerkollegen seiner Generation, für die die Bohème mehr Pose als Notwendigkeit war, musste Man Ray Geld verdienen. Auf diesem Gebiet war er höchst begehrt. So begehrt, dass sich alle zu ihm bemühen mussten, egal wie berühmt sie selber waren. Hausbesuche machte der Künstler nur in Ausnahmefällen und ans Totenbett.

Wie wichtig Man Ray für beide Genres war, ist in der Ausstellung ebenfalls zu sehen, so im Film einer Modenschau von Castelbajac oder einem Gaultier-Plakat. Die Ausstellung ist die größte Schau der Werke Man Rays der letzten Jahrzehnte, zumindest in Europa. In den einschlägigen deutschen Museen wäre sie sicher ein Blockbuster, in Wien wird sie wohl nur wegen ihrer langen Laufzeit auf vergleichbare Besucherzahlen kommen können. Für Kunstfreunde ist das ein Vorteil, weil sie nicht im Gedränge durch die Kunst geschoben werden.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Man Ray
14.02 - 24.06.2018

Bank Austria Kunstforum
1010 Wien, Freyung 8
Tel: +43 1 537 33 26, Fax:
Email: office@kunstforumwien.at
http://www.kunstforumwien.at
Öffnungszeiten: Mo-So 10.00-19.00 h
Fr 10.00 - 21.00 h


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