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Lemurenheim: Die Geister die ich rief

Mit der aktuellen Ausstellung Lemurenheim erprobt die Galerie Meyer Kainer in einem Kaleidoskop-artigen Farbenmix anhand bedeutender künstlerischer Positionen Momente des Geisterhaften, das in der Realität seinen Ursprung nimmt, um dann in unergründlicher Wesensform in unterschiedliche mentale bzw. abstrakte Formationen vorzudringen.

Der Titel entstammt einer, im ersten Raum gezeigten Arbeit von Franz West, dem Lemurenkopf aus dem Jahr 2001, wobei sich West bei seiner Auseinandersetzung mit Lemuren auf die römische Mythologie und die dem Wasser entsprungenen Geister bezog. Diese Assoziation verbinden vor allem jene „4 Larven“ bzw. Lemurenköpfe an Wiens Stubenbrücke mit dem sich immer in Bewegung befindenden Wasser des Wienflusses, für den sie gleichzeitig als Wächter und Mahnmal dienen. Generell werden auch die Geister von Verstorbenen als Lemuren bezeichnet bzw. in der Zoologie eine bestimmte Gruppe an Feuchtnasenaffen. Dass deren Gestalt nicht immer genau definiert werden kann und stets amorphe Formen annimmt, zeigen die in der Ausstellung präsentierten Arbeiten. Ihnen zugrunde liegt ein gewisser animistischer Zug, der ins Mythische bzw. eine irreale, ambivalente Situation kippen kann. Letzteres zeigt sich etwa in Ei Arakawas Installation, die bei den Skulptur Projekte Münster 2017 auf einer Wiese ausgestellt war und als grob gerasterte LED Malerei eine Arbeit von Joan Mitchell als Vorlage nahm. In Kombination mit Sound und Text erzeugt der Künstler eine raumgreifende Atmosphäre, die ebenso halluzinogene Effekte hervorrufen kann.

Sigmar Polke gilt in der Debatte um mythische Komponenten ebenso als zentrale Figur mit seiner 1969 entstandenen Arbeit „Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!“ Von ihm sind in der Ausstellung drei später datierte Arbeiten mit amorphen Strukturen zu sehen. Wie bei West sind auch bei Kerstin Brätschs Glasarbeiten eindeutig Gesichtsfelder zu erkennen, jedoch ohne einen speziell vorstellbaren Körper dahinter. Sie bedient sich in ihren Glasarbeiten seit 2012 der Hilfe von Urs Rickenbach, der bereits für Polke in Zürich an Kirchenfenstern arbeitete. Dadurch schließt sich der Kreis der in der Ausstellung gezeigten Arbeiten ebenso wie durch die Ergänzung mit einer von Brätsch und Debo Eilers aka KAYA für die Whitney Biennale 2017 produzierten Arbeit, in der die Grenzen zwischen Natur und Kultur ähnlich den Fragestellungen rund um das Anthropozän neu definiert werden müssen. Katja Novitskova rundet die Ausstellung mit ihren Digitaldrucken ab, die wiederum eindeutig auf tierähnliche Gestalten und damit auf eine biologistische Verwendung des Begriffes der Lemuren verweisen.

Mehr Texte von Walter Seidl

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Lemurenheim
17.01 - 21.03.2018

Galerie Meyer Kainer
1010 Wien, Eschenbachgasse 9
Tel: +43 1 585 72 77, Fax: + 43 1 585727788
Email: contact@meyerkainer.com
http://www.meyerkainer.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Sa 11-15h


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