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Bosch & Burgert: Erzählwitz und der Horror Vacui

Holprig gestaltete sich die Übersiedlung der Akademie der Bildenden Künste Wiens in ihr provisorisches Quartier, einem ausrangierten Betonklotz der Wirtschafts-Uni, unter anderem musste der Termin kurzfristig wegen noch nicht verlegter Leitungen verschoben werden. Jetzt sitzen die angehenden KünstlerInnen und ihre LehrerInnen etwas abseits in einem verhassten Kasten und beten wahrscheinlich jeden Tag, dass die Sanierung ihrer imposanten Residenz am Schillerplatz tatsächlich nur drei Jahre dauert.

Um wie viel besser hat es da doch die Kunst! Die Gemäldesammlung der Akademie hat im Theatermuseum eine Bleibe gefunden, die ganz und gar nicht provisorisch wirkt. Perfekte Ausstellungstechnik dampft unablässig einen feinen Feuchtigkeitsnebel in die Räume, die so wirken, als wären Bosch & Co. nie woanders gehangen.

Das System scheint auf Besucheranstürme ausgelegt zu sein, die jedoch nicht zu befürchten sind. Trotz der zentralen Lage wird die exquisite Sammlung wohl immer ein Geheimtip bleiben. Die Anziehungskraft des Kunsthistorischen Museums ist wohl zu übermächtig.

70 Gemälde und zwei Skulpturen – mehr gibt es nicht zu sehen. Und doch reicht diese Auswahl für einen thematischen Parcours durch die abendländische Kunstgeschichte. Wie bei Alter Kunst nicht unüblich, werden die Bilder vor unterschiedlichen, teils recht kräftigen Wandfarben präsentiert. Tizian vor Grün passt, auch die übrige venezianische Malerei vor Himmelblau zu präsentieren, leuchtet ein, führt allerdings zu einem seltsamen Kontrast bei Angelo Carosellis „Selbstmord des Cato“.

Als besonderen Clou für die Einweihung der Zwischenmiete hat man sich eine Konfrontation von Alt gegen Neu ausgedacht: Gleich im ersten Raum wird das Prunkstück der Sammlung, das Weltgerichts-Triptychon von Hieronymus Bosch – flankiert von einigen anderen Alten Meistern christlichen und profanen Inhalts – mit einem zeitgenössischen Vertreter der altmeisterlichen Manier konfrontiert. Der Berliner Maler Jonas Burgert darf sich in einem Großformat mit den Heroen der Kunstgeschichte messen.

Und so hilflos, wie der Begleittext einer offensichtlich kunsthistorisch versierten Kuratorin sich dem Bild annähert, so sehr offenbart das Werk selbst im Angesicht der Vorbilder seine Schwächen. Wo Bosch pointiert einzelne Geschichten nebeneinandersetzt, deren Verklausulierungen sich dem Betrachter im Einzelnen meist gar nicht mehr erschließen, und zu einem großen Ganzen zusammenfügt, herrscht bei Burgert ein horror vacui, der jedes Fleckchen Leinwand noch mit Farbe füllen muss. Wo Bosch mit irrem Erzählwitz immer wieder neue Monstrositäten erfindet, vor denen man sich gruseln muss, über die man aber manchmal auch schmunzeln kann, quetscht Burger Ethno-Kitsch und Fantasy-Pomp in Airbrush-Farben in den Bildraum und füllt die Zwischenräume noch mit Gerümpel und Luftschlangen. Am erschreckendsten ist dabei die Humorlosigkeit. „Burgert breitet ein Welttheater vor uns aus, doch geht es ihm nicht um Politik oder Gesellschaftskritik, sondern um das menschliche Grundbedürfnis von Sinnerfüllung und Sehnsucht nach Transzendenz“, sinnhubert der Ausstellungstext hilflos. „Der Mensch ist sich selbst der größte Feind, es geht Burgert um die innere Verfassung des Menschen, um Emotionen.“

Altmeisterlich malen kann der Künstler sicher. Aber wie so oft, wäre auch hier etwas weniger wohl mehr gewesen. Einem Künstler beim Scheitern zuzusehen, ist nie schön. Zum Glück fängt die Ausstellung hier erst an.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Bosch & Burgert
08.11.2017 - 02.04.2018

Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien zu Gast im Theatermuseum
1010 Wien, Lobkowitzplatz 2
Tel: +43 1 58816 2201
Email: gemaeldegalerie@akbild.ac.at
http://www.akademiegalerie.at
Öffnungszeiten: Mi-Mo 10-18 h


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