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Frieze London: Play it safe

Die größte Dynamik weist auf der Frieze London die Berliner Galerie Johann König auf, die anlässlich der Ankündigung einer Londoner Filiale ihre Koje jeden Tag einem anderen ihrer Zugpferde widmet. Norbert Bisky oder Katharina Grosse sind allerdings auf diese Art Publicity kaum angewiesen, wie das meiste, was auf der Messe gezeigt wird. 

"Play it safe" scheint das Motto fast aller Beteiligten zu sein. Und wer es besonders abgesichert haben möchte, beruft sich auf Klassiker der Kunstgeschichte. Wie bei allem, was er angeht, schießt dabei Jeff Koons den Vogel ab. Bei David Zwirner ist ein Faksimile des Judaskuss-Freskos von Giotto zu sehen, vor das auf einer Konsole eine blauspiegelnde Kugel montiert ist. 

Bei Pace (London,  New York,  Hongkong,  Peking,  Palo Alto,  Paris,  Seoul) beweist das teamLab mit "Dark Waves" über vier in Reihe geschaltete Monitore, dass es die Kunst der Computeranimation beherrscht. Die 3er-Auflage zu 75.000 Dollar sein schon verkauft, teilt man am Stand mit, schiebt aber ungefragt hinterher, man habe auch noch eine etwas größere Version im Angebot mit sechs Monitoren für die man nur etwas mehr berechne, für den Fall, dass man großes Interesse habe.

Sex sells dachten sich möglicherweise die Macher der Frieze mit dem heurigen Sonderschau-Thema "Sex Work: Feminist Art & Radical Politics" mit dem Ergebnis einer erwartbaren Flut primärer und sekundärer Geschlechtsorgane aus Frauenhand. Es ist tatsächlich höchst erfreulich, endlich frühe und wichtige Arbeiten etwa von Dorothy Iannone bei Air de Paris zu sehen. Bei einer Serie neuerer Gummipimmel auf Kaktus von Renate Bertlmann bei Richard Saltoun aus London stellt sich jedoch schon die Frage, ob das im heutigen Kontext noch Kunst ist oder schon Deko. Und die neuen Gemälde von Betty Tompkins mit Nahansicht von Geschlechtsteilen in Aktion auf dem regulären Stand von PPOW aus New York, die genau so aussehen wie die vor bald 50 Jahren entstandenen bei Andrea Caratsch aus St. Moritz kommen einer künstlerischen Bankrotterklärung gleich. Politische Kunst steht nun einmal in einem zeitgeschichtlichen Kontext und wird im günstigsten Fall irgendwann Teil der Kunstgeschichte. Wer nach einem halben Jahrhundert noch so produziert, als wären die Rahmenbedingungen unverändert, hat offensichtlich andere Motive als künstlerische. Immerhin ist die aktuelle Produktion deutlich preiswerter als die Originale. Große Leinwände kosten bei PPOW 56.000 und 65.000 Dollar,  eine winzige Collage, die als Vorarbeit  für ein Gemälde von 1972 zu verstehen ist, kostet 25.000 Dollar. Bei Caratsch wird für die historischen Gemälde bei vergleichbaren Formaten rund das Zehnfache aufgerufen.

Der Markt befindet sich unzweifelhaft im Umbruch. Nicht mehr nur kleine Galerien mit progressivem Programm bekommen die verblassende Glorie der zeitgenössischen Kunst zu spüren und die Umsatzkonzentration bei einigen Großgalerien. Das Phänomen trifft auch die etablierteren Kollegen, wenngleich (noch) nicht in dramatischen Dimensionen.  Ein New Yorker Galerist spricht von höheren Kosten, geringeren Gewinnen und davon, dass er einfach mehr verkaufen müsse, damit am Ende das gleiche übrigbleibt. "Es ist nicht so, dass ich schlecht schliefe", meint er, "aber ich stehe früh auf."

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Frieze London
05 - 08.10.2017

Frieze Art Fair
NW1 4RY London, Regent`s Park
Tel: + 44 (0)20 7025 3970, Fax: +44 (0)20 7025 3971
Email: info@friezeartfair.com
http://www.friezeartfair.com


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